Jetzt ist es langsam wieder soweit:
Nach den kalten Wintermonaten werden überall die Fenster geöffnet, die warme Frühlingsluft wird in Wohnungen und Kellerräume eingelassen. Es wird wieder ausgiebig gelüftet, weil man keinen Wärmeenergieverlust mehr fürchten muss.
In Kellern werden die Fenster oft auch deswegen geöffnet, weil man sich erinnert, dass es vor dem Winter und eventuell auch durchgehend dort so modrig roch – jetzt soll der Muff hinaus!
Oft bleiben die Kellerfenster dann den ganzen Sommer über offen, manchmal werden gerade an sehr warmen Tagen auch noch die Kellertüren weit aufgerissen. Alles geschieht in der Annahme, dass die warme Luft den feuchten Keller austrocknen könne. In manchen Kellern bröckelt auch der Putz von den Innenseiten der Außenwandflächen oder es finden sich Salzausblühungen, deren flaumige Erscheinungsweise oft auch mit Schimmelbefall verwechselt wird. Die meisten Menschen glauben dann an eindringende oder aufsteigende Feuchtigkeit aus dem Erdreich, welche durch Undichtigkeiten des Mauerwerks nach innen dringt und wollen diese Feuchte natürlich aus den Kellern entfernen.
Die Werte der Raumluftfeuchte in Kellern ist dann oft auch sehr hoch, Hygrometer zeigen oft 80% relative Feuchte und mehr, je nachdem, wo sie aufgestellt werden. Die meisten versuchen dann, dass Problem zu lösen, indem sie vermehrt lüften. Das jedoch ist ein schwerer Fehler und verschärft das Feuchte- und Schimmelproblem im Keller sogar noch. In ungeheizten Kellern haben das Mauerwerk der Außenwände sowie die Bodenflächen nahezu die Temperatur des umgebenden Erdreiches, das sind etwa 12 -14°C. Die hereingelüftete Außenluft ist jedoch oft deutlich wärmer, sogar im Frühling hat man schon über 20 °C Außentemperatur bei relativen Feuchtewerten von oft um die 60% oder mehr. Und viele Menschen meinen dann, 60% ist ja weniger als 80%, da kann man gut lüften…
Hygrometer zeigen jedoch die RELATIVE Feuchte der Luft an, immer bezogen auf die jeweilige Lufttemperatur. Diesen Zusammenhang kennen viel gar nicht. Warme Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen als kalte. Ein Hygrometer zeigt also nur an, wie stark die Luft bei der gerade herrschenden Temperatur mit Wasserdampf gesättigt ist. Trifft warme, feuchte Luft auf kalte Flächen, wobei sie abkühlt, dann steigt die relative Feuchte, mitunter so stark, bis ein Teil des in der Luft enthaltenen Wassers ausfällt, es kondensiert.
Andreas Karstedt, ein Baubiologe aus Bremen von BIOLYSA e.V, erläutert den Zusammenhang der relativen Feuchte mit der Temperatur:"Das ist wie bei großen Weingläsern (hohe Lufttemperatur) und kleinen Schnapsgläsern (niedrige Lufttemperatur) – wenn das halb volle große Weinglas (also 50% voll) in das kleine Schnapsglas gekippt wird, dann hat man sofort 100% Füllzustand und es läuft auch noch etwas über. Dieser Rest wäre das Kondenswasser, welches bei Ausfall aus der Luft dann im Keller von allen saugfähigen Materialien aufgenommen wird, also von Putzoberflächen und allen porösen Stoffen, die vor diesen Wandflächen oder auf dem Boden gelagert werden."
Hat man zum Beispiel 20°C warme Luft mit 60% relative Feuchte in den Keller gelüftet und diese Luft trifft auf die 12°C kühlen Außenwandflächen, dann steigt dort die relative Luftfeuchte auf 97%. Die 60 % r.F in 20°C warmer Luft entsprechen einem absoluten Wassergehalt je Kubikmeter Luft von etwa 10 Gramm. Die 12°C kühle Luft vor den Außenwänden oder am Boden hingegen kann nur maximal 10,65 Gramm Wasser in jeden Kubikmeter aufnehmen, "das Schnapsglas ist also fast ganz voll". Sogar wenn es noch kein Kondenswasser gibt, erzeugt man schon gute Bedingungen für Schimmelpilze: Schimmelpilze können schon ab etwa 70% relative Feuchte Luftfeuchte schon wachsen. Somit ist klar ersichtlich, dass man mit dem falschen Lüftungsverhalten optimale Verhältnisse für Schimmelpilze herstellt.
Karstedts Resümee aus langjähriger Erfahrung: "Das Lüften von Kellerräumen im Sommer tagsüber ist das Verkehrteste, was man machen kann. Zuerst wächst vermehrt Schimmel auf den Wandflächen und dann feuchtet sich auch noch die Wandoberfläche beziehungsweise der Putz auf. Wenn dann doch einmal die umgebende Luft trockener sein sollte als der feucht gewordene Putz, dann verdunstet das Wasser wieder in die Luft. Dabei werden die vom Wasser aus dem Material gelösten Salze an die Wandoberfläche transportiert und bleiben beim Verdunsten des Wassers zurück, wo sie oft einen durchgehenden Kristallflaum bilden."
Auf der einen Seite verhindere das zwar einen flächigen Schimmelbefall, weil es die Pilze nicht so salzig mögen, aber das Salz binde auch wieder schneller die Feuchte aus der Luft. Das ganze werde dann zu einem sich selbst erhaltenden Kreislauf, der die Kellerwände immer feuchter werden lasse und alles, was in den Kellern gelagert ist, werde immer stärker von Schimmelpilzen befallen und verströme dann den typischen modrigen Kellergeruch. In der warmen Jahreszeit solle man daher Keller nur nachts lüften, wenn es außen kühler und damit trockener seii. Karstedt hat noch einen Tipp:"Besitzt man im Keller einen Abluftventilator, so sollte der über eine Zeitsteuerung verfügen, so dass er nur nachts einschaltet, besser noch wäre eine Differenzsteuerung über Sensoren für Innen- und Außenverhältnisse. Dabei muss man nur darauf achten, dass auch Luft in die Kellerräume nachströmen kann, am besten von außen."
Falls die nächtliche Lüftung nicht ausreichend sei, um die Feuchte- und Schimmelprobleme zu beheben, oder wenn man unsicher sei, ob es tatsächlich nur am Lüften liege, so solle man einen Sachverständigen mit der Ursachensuche beauftragen. Karstedt:"Es ist sinnvoll, keinen Sanierer, Kellerabdichtungshersteller oder Anbieter von Geräten gegen aufsteigende Feuchte mit solch einer Ortsbegehung zu beauftragen. Die sind ja quasi betriebsblind und sehen naturgemäß nur solche Ursachen für die Feuchteschäden, die sie mit ihren Methoden beeinflussen können. Besser ist es, einen unabhängigen Sachverständigen zu beauftragen, der nichts verkauft außer seinem Wissen!"